Vom Geschenk der Empathie: Warum wir sie gerade jetzt brauchen

Die Empathie gilt für mich als einer der wertvollsten Fähigkeiten, die wir im Leben erhalten haben – insbesondere jetzt, wo im Außen ein Sturm der Unsicherheit wütet. Denn die Empathie ermöglicht uns nicht nur, innerhalb unserer zwischenmenschlichen Beziehungen mehr Mitgefühl und Verständnis aufzubringen, sondern schenkt auch die Grundlage, uns selbst mehr mit offenem Herzen zu begegnen. 

 

In diesem Beitrag möchte ich dir zeigen, was genau unter Empathie zu verstehen ist, was die Liebe damit zu tun hat und warum sie solch ein Geschenk für die Reise zu dir selbst sein kann. 

Empathie: Ein Definitionsversuch

Zunächst einmal herrscht wissenschaftlich betrachtet keine Klarheit über den Begriff. Zwar gilt die Empathie als eine Persönlichkeitseigenschaft, jedoch wurde sie bislang kaum erforscht. Entsprechend existiert in dem Sinne keine klassische Definition und in der Psychologie wird nach wie vor über die Details, insbesondere dem Ursprung, diskutiert. Einigkeit findet sich indessen in der grundlegenden Funktion: Empathie gilt als Fähigkeit und somit Voraussetzung, sich in andere einfühlen zu können. Im alltäglichen Sprachgebrauch werden häufig die Wörter Mitgefühl und Mitleid missverständlich und teils als Synonym verwendet, in denen jedoch ein bedeutender Unterschied liegt:

  • Empathie: Die Bereitschaft & Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinversetzen zu können. Empathie erfolgt meist spontan, wie ein Impuls aus dem Herzen und bildet die Grundlage für Mitgefühl & Mitleid. Sie ist angeboren und trägt jeder in sich. Ein Beispiel: Jemand verletzt sich beim Kochen mit einem Messer und selbst wenn du diesen Menschen unsympathisch findest, kannst du dich unmittelbar in den Schmerz hineinversetzen und bist somit voll und ganz beim anderen. 
  • Mitgefühl: Anteilnahme, indem ich mich in eine Situation beim Gegenüber hineinversetzen kann (mit den dazu gehörigen Gefühlen und Bedürfnissen). Dabei ist ein wichtiger Aspekt, dass ich auch die Welt des anderen nachzuvollziehen versuche, dessen Überzeugungen und Lebensumstände. Es geht also nicht nur allein darum zu erkennen, wie es einem Menschen geht, sondern ebenso, sich in seine gesamte Lebenssituation hineinzuversetzen. Das ist ein wichtiger Punkt, um nicht von sich auszugehen, denn sonst beginnen wir zu interpretieren und vor allem auch zu projizieren. Sind wir im Mitgefühl, sind wir mit unserer Aufmerksamkeit voll und ganz beim anderen, ohne die Verantwortung für die Situation zu übernehmen.  
  • Mitleid: Wie das Wort schon sagt, leiden wir hier mit der Person mit, was zu einer ungesunden Balance in uns selbst führen kann. Es findet eine innere Anteilnahme am Leid des anderen statt und da ich besorgt bin, möchte ich helfen oder trösten, um so das Leiden des andern zu mildern. Die Gefahr für das eigenen Gleichgewicht liegt darin, dass sobald wir uns das Leid eines anderen Menschen zu sehr zu eigen machen,  wir die sichere Distanz zur Situation verlieren. Denn aus der Position des Leids heraus, ist es schwer auf gesunde und ehrliche Weise zu helfen, da wir durch Mitleid beginnen die Verantwortung für das Leid des anderen mit zu übernehmen. Dieses Leid gehört nur eben nicht zu uns, daher kann schnell die Dynamik des „Rettenden“ entstehen und wir fühlen uns mit verantwortlich und zum Teil wie "ausgesaugt". 

Empathie ist in jedem von uns Verankert

Dass wir manche Menschen als „unempathisch“ empfinden liegt nicht daran, dass die Fähigkeit nicht vorhanden ist, sondern wie stark wir sie im individuellen Denken & Fühlen (er-) leben. Vielmehr haben die Erziehung und das gesellschaftliche Wertesystem dazu beigetragen, dass wir uns selbst ins Zentrum des Lebens stellen. Grundsätzlich ist daran nichts auszusetzen, doch generell sind die westlichen Kulturen geprägter vom Individualismus, als es z.B. in fernöstlichen Kulturen der Fall ist. „Du kannst alles schaffen“, „nur du bist wichtig“, „dir stehen alle Türen offen“, „mach dich nicht abhängig, du schaffst alles alleine“, um nur einen Auszug dieser prägenden Sätze im Laufe unseres Lebens zu nennen. Dass ich mich daher als „wichtiger“ empfinde ist grundsätzlich nicht falsch, doch sobald wir uns über andere Menschen stellen und nicht auf Augenhöhe bleiben, fehlt die Grundlage für gegenseitig Verständnis. 

Empathie: Du oder Ich?

Lange habe ich bei der Empathie in dem Verständnis gelebt, dass es im Grunde darum geht, meine Aufmerksamkeit anderen zu schenken, also offen und mitfühlend im Miteinander zu sein. Doch wie kann ich ehrlich und aus ganzem Herzen heraus offen und mitfühlend gegenüber meinen Mitmenschen sein, wenn ich es zu mir selbst nicht bin? Genau darum geht es in der Selbstempathie, worin für mich der Schlüssel hin zu gesunden zwischenmenschlichen Beziehungen liegt. Die Empathie-Fähigkeit greift dementsprechend in beide Richtungen: Nach außen wie auch nach innen. 

erst wenn ich mir selbst ehrlich und mit offenen Herzen begegne, lerne ich mich selbst verstehen und kann empathisches Verständnis meinen Mitmenschen schenken.

Ich lerne also meine Werte und Grenzen zu wahren und kann für mich einstehen, was gerade in Konfliktsituationen ein wichtiger Punkt ist, um Verletzungen rechtzeitig vermeiden zu können. Doch das gelingt eben nur dann, wenn wir ehrlich und offen in uns gehen, fühlen und beobachten, was gewissen Situationen in uns auslösen. Wenn ich z.B. während eines Streitgesprächs merke, dass mein Puls höherschlägt, mein Atem schneller wird, mein Herz sich anfängt zurück zu ziehen, dann ist es meine Verantwortung zu sagen, dass ich z.B. das Gespräch gerade nicht mehr führen kann, weil ich spüre, dass es mir gerade nicht gut geht. Es genügt allein die Beobachtung der inneren Prozesse, es braucht an der Stelle erstmal keine Lösung. In so einer Situation wäre dann schon das Mitgefühl für sich, aus der Situation raus zu gehen und dafür keine Schuld zu empfinden. Oder wenn ich merke, dass mich ein Thema wie z.B. Verlustangst ergreift, nicht in die Selbstabwertung zu gehen, indem ich das Thema klein rede (um z.B. nicht eifersüchtig zu wirken), sondern sich offen einzugestehen, dass das gerade ein Thema für mich ist. Das ist gerade dann wesentlich, wenn ich es vielleicht vom Kopf her lieber wegschieben möchte. Letzteres kann schnell zu Selbstmitleid führen, was kontraproduktiv ist (Selbst-Mitleid), da wir in die Opferhaltung gehen.

Hier beginnt Selbstakzeptanz: Ich akzeptiere mich und die Empathie schenkt uns die notwendige Sanftheit. Das ist Liebe.

Genau die Liebe zu uns selbst, indem ich mich selbst achte, meine Erfahrungen, Prägungen und wunden Punkte annehme, ohne sie direkt in die (Be-) wertungsschleuder zu geben. Du und ich sind nicht „schlechte“ Menschen, weil eine Erfahrung oder Prägung ein gewisses Fühlen oder Denken in uns auslösen. Es geht darum uns anzunehmen, mit allem was dazu gehört, mit all den tollen Seiten und ebenso mit den Seiten, die uns manchmal in die Tiefe stürzen. Das ist Selbstempathie und somit die Grundlage für Selbstakzeptanz. Wenn du das in dir findest, bist du bereit, deine Empathie offen und ehrlich auch deinem Gegenüber zu schenken. 

Warum es ohne Verstehen in allen Beziehungen nicht funktioniert

Wann werden wir wütend oder traurig? Sobald in uns ein Schmerz berührt wird. Das ist meist bei Konflikten der Fall, der gerade in Beziehungen durch die emotionale Verbindung zu dem Menschen spürbar auftreten kann.

Sobald wir ehrlich mitfühlen und Empathie zeigen, hören Emotionen wie Wut & Ärger unmittelbar auf

Warum? Da wir einen Schritt zurücktreten, unsere eigenen wunden Punkte für einen Moment beiseitestellen und unserem Gegenüber unsere volle Aufmerksamkeit schenken. Wir sind ganz beim Anderen, indem wir uns in seine bzw. ihre Welt und Bedingungen hineinversetzen. Wenn es plötzlich ganz ruhig in dir wird und du dich völlig auf die Sicht und Worte des Anderen einlassen kannst, nimmst du dessen Perspektive ein und hast so die Chance für Verständnis. Exakt an diesem Punkt fängst du an die andere Perspektive zu verstehen und mitzufühlen, die Grundlage für unser gesundes Miteinander. Du bist nicht mehr im Kampfmodus und versuchst dich zu schützen. Es entsteht Offenheit, da du im Herzen bist und dort kann es keinen Kampf geben. Doch dafür braucht es eben erst einmal den Blick nach Innen, um dich selbst mit deinen Themen verstehen und akzeptieren zu lernen, dann lösen sie auch irgendwann keine destruktiven emotionalen Wellen mehr aus. 

 

Ich bin überzeugt, dass uns das Geschenk der Empathie gerade jetzt in dieser turbulenten Zeit im Miteinander mehr denn je hilft. Einerseits, um in uns selbst mehr Ruhe zu finden und gleichzeitig unseren Mitmenschen mit mehr Mitgefühl begegnen zu können.   

Möchtest du mehr über das Thema erfahren? Dann höre dir gerne meine Podcast-Folge zum Thema Empathie an:

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