Warum kann ich nicht zufrieden sein, warum beschäftigt mich immer wieder ein Thema, egal ob in Beruf, Beziehung oder Finanzielles? Warum schlittern einige Menschen immer wieder in die so oft zitierte "Sinnkrise"? Wenn es auch dir so geht, möchte ich dich vorab schon einmal sagen: Du bist nicht alleine damit.
An dieser Stelle möchte ich mögliche Ursachen aufzeigen, da ich dieser Frage bei einigen Menschen meiner sogenannten Generation Y regelmäßig begegne. Dabei steht die Generation Y für alle, die zwischen 1980 und 1995 geboren wurden. Natürlich gilt das nicht pauschal für alle, da jeder von uns unterschiedliche Prägungen hat. Dennoch kenne ich persönlich kaum jemand, der nicht mit spätestens Anfang 30 sein Leben in gewissen Bereichen hinterfragt und das Wort "Unzufriedenheit" regelmäßig benutzt.
Damit wir verstehen, weshalb uns diese Fragen immer wieder einholen, möchte ich einen Blick auf die verschiedenen Lebensbereiche und Umweltfaktoren werfen, die maßgeblich mit der Unzufriedenheit zusammenhängen. Ein Auszug:
Wirtschaftliche Situation
"Früher war alles besser und leichter", ein Satz, den ich gerade von Eltern häufiger höre. Fakt ist jedoch, dass es uns in Deutschland, wirtschaftlich gesehen, noch nie bessergegangen ist. Seit Jahren verzeichnen wir konstantes wirtschaftliches Wachstum, auch wenn die Corona-Krise hier sicher nochmal unbekannte Entwicklungen auslösen wird. Unabhängig davon ist meine zentrale Aussage hier, dass wir stand heute grundsätzlich keine Existenzängste zu befürchten haben. Unser Sozialstaat fängt uns bei Jobverlust oder Krankheit auf, auch wenn diese Unterstützung alles andere als ein luxuriöses Leben bedeutet. Dennoch ermöglicht es stets ein Dach über dem Kopf, medizinische Versorgung und keinen Hunger zu leiden, was bereits in europäischen Ländern eine Besonderheit darstellt. Privilegien eines Industriestaates, die viele leidende Menschen auf dieser Erde nicht haben. Kurzum: Unsere Grundbedürfnisse sind gedeckt.
Digitalisierung
Wenn es für unsere Generation eine Entwicklung gibt, die unser Leben innerhalb weniger Jahren enorm geprägt hat, dann ist es die Digitalisierung. Ja, noch so ein populäres "Buzzword", welches ich gefühlt täglich in den Medien lese. Doch dessen Einfluss auf unser Leben, die Art wie wir miteinander kommunizieren und die Schnelllebigkeit die damit einhergeht, ist enorm und wird meines Erachtens unterschätzt und an mancher Stelle würde ich mir hier mehr Diskussion über die Auswirkungen wünschen. Facebook, Instagram & Co. haben nicht nur den persönlichen Kontakt zum Teil ersetzt, sondern konfrontieren uns täglich mit einer unzähligen Masse an Informationen. Ohne Zweifel ist, dass uns das Internet und dessen Möglichkeiten ein globalisiertes und komfortables Leben ermöglicht. Dennoch bleibt die entscheidende Frage, wie wir damit umgehen, insbesondere mit der Reizüberflutung, die unserem Geist bei unbewusstem Konsum keine Ruhe gibt. Wir vergleichen und messen uns permanent mit anderen, was auf Dauer eine Gefahr für den eigenen Selbstwert darstellt. Zu letzterem gibt es inzwischen Studien, die im Hinblick auf Suizid und Depressionen, gerade bei jungen Menschen, alarmierend sind.
Leistungsgesellschaft
Hallo Hamsterrad. Die vorherrschende Leistungsgesellschaft hat dazu geführt, dass wir uns selbst -und damit unsere persönlichen Stärken - nicht mehr kennen. Wir wurden hin zur "Masse" geprägt, individuelle Eigenschaften hatten selten Platz in Kindergarten und Schule. Wir leben in einem System, indem Menschen durch ihre Leistung definiert werden. Es gab eine Belohnung, wenn wir gute Noten nach Hause gebracht oder unser Zimmer aufgeräumt haben. In der Schule, Ausbildung oder Studium greift die selbe Systematik. Wir haben bereits früh gelernt, dass wir dann Anerkennung & Lob erhalten, wenn wir schulisch - und später beruflich- einen (Ich-) Wert in Form von Ergebnissen erzielen. Verstärkt wird dieser Belohnungsmechanismus darin, dass wir früh lernen, dass unser Leben "einfacher" ist, je bessere Leistung wir liefern, für die wir zusätzlich noch Anerkennung erhalten. Denken wir an den Übertritt an weiterführende Schulen, die in einigen Bundesländern noch heute in der vierten Klasse stattfinden. Ein Kind mit 9 Jahren wird in Schulkategorien gesteckt, die bereits in diesem Alter in einer Bewertung als Mensch mündet und das rein auf einem Notendurchschnitt (!) basierend. Auf der Hauptschule zu sein, ist quasi gleichzusetzen mit einer perspektivlosen Zukunft. So habe ich es damals erlebt, denn ein Kind in diesem Alter ist nicht in der Lage zu verstehen, was passiert. Es erlebt diese Phasen vielmehr rein emotional. Da geht es nicht um den Wunsch, aus eigenem Antrieb auf das Gymnasium zu wechseln, da dies die scheinbar beste Basis für das Leben ist (was viele Erwachsene damals zu uns gesagt haben). Ein Kind erlebt dies nicht auf rationaler Ebene, da es in diesem Alter nicht im Stande dazu ist. Emotional speichern wir, dass wir dann gut sind, wenn wir Leistung erzeugen. Der Notendurchschnitt zeigt sich also erstmals als erbarmungslose Hürde in der schulischen und beruflichen Laufbahn.
Hier greift erstmal das System des Marktes. Du bist das Wert, was du leistest.
Diese Haltung zieht sich durch alle weiteren Stationen im Leben: Schule, Ausbildung, Studium und Arbeitsleben. Das führt nicht zuletzt auch zu zunehmendem Egoismus, denn wir haben verinnerlicht, dass der "Beste" scheinbar am "weitesten" kommt. Hier entsteht die Grundlage für eine Ellbogenmentalität.
Verlorener Glaube
Insbesondere seit der Industrialisierung hat sich unser Leben hin zum Materiellen und somit in die Außenwelt entwickelt. Der Blick nach Innen und zu einer "höheren" Energie ist verlorenen gegangen. Viele glauben nicht mehr an eine höhere Instanz oder Energie, was weiterhin unser Ego und die Mentalität des Einzelkämpfers genährt hat. Wir haben die Demut zum Leben aus den Augen verloren. Ich selbst bin nicht gläubig im religiösen Sinn, doch ich bin sicher, dass das Leben selbst von einer eigenen Intelligenz bestimmt wird. Ich bin überzeugt, dass keiner von uns ohne Grund zu diesem bestimmten Zeitpunkt mit den jeweiligen Fähigkeiten und Prägungen auf dieser Welt ist. Jeder trägt eine Gabe in sich. Der fehlende Glaube an etwas Höheres (egal wie es jeder für sich definiert) führt dazu, dass wir das (Ur-) Vertrauen ins Leben verloren haben. Wir meinen, das Leben alleine kontrollieren zu können und haben unsere individuellen Fähigkeiten aus den Augen verloren. Wir suchen Sicherheit in unserer äußeren Umwelt, wie Beziehung oder Job, doch dort können und werden wir keine garantierte Sicherheit finden. Wer von uns hätte vor einem Jahr damit gerechnet, dass wir eine Pandemie wie Corona 2020 in diesem Umfang erleben werden?
Knackpunkt: Freiheit & Eigenverantwortung
Einerseits erlebe ich, wie wir erzogen wurden, durch Leistung (Noten) und Anpassung (nicht anders sein) in der Masse Orientierung zu finden, was dazu geführt hat, dass ein gewisser Weg quasi schon vorgegeben war. Wenn du gute Noten hattest, war es klar, dass du das Abitur anstrebst, um dann meist ein Studium anzuhängen. Oder im Bereich Partnerschaft der klare Weg, eine Beziehung zu führen, die in Ehe und Eigenheim mündet. Das hat uns zwar in erster Linie geholfen, einen ersten eigenen Weg zu gehen, doch oft werden diese Entscheidungen für uns durch die Prägungen unserer Bezugspersonen getroffen. Das führt schließlich dazu, dass ein Problem mit der Eigenverantwortung einhergeht. Wir merken dieses Phänomen spätestens dann, wenn wir uns in einem Job oder einer Beziehung befinden, die wenig mit den eigenen Wünschen und Sehnsüchten zu tun hat und wir erstmalig das Gefühl der Unzufriedenheit spüren. Gleichzeitig stehen uns alle Türen und Möglichkeiten dieser Welt offen. Wir genießen hier eine Freiheit, die ein riesen Geschenk ist und dennoch eben genau diese Eigenverantwortung von uns fordert. Denn die Freiheit kann jeder nur dann für sich nutzen, wenn du weißt wer du bist, was deine Fähigkeiten und Sehnsüchte sind. Andernfalls entsteht genau in diesem Moment eine Unzufriedenheit, Blockade oder innere Unruhe. Anders ausgedrückt: Ein Weckruf.
Die Unzufriedenheit ist die Stimme deiner Seele. Schiebe Sie nicht weg, mach sie nicht klein, sondern schenke ihr deine Aufmerksamkeit
Wir leben in einem privilegierten Land, in Sicherheit & Wohlstand. Auch wenn die aktuelle Krise jeden auf eine eigene Art und Weise trifft, haben wir stets Handlungsspielraum, mit Freiheiten und Möglichkeiten. Übernehme die Verantwortung für dich, vielmehr für das Leben was du geschenkt bekommen hast. Zeige Mut, indem du zu dir und deinen Sehnsüchten stehst. Fange an, in dich zu hören, vertraue dieser inneren Stimme - deiner Intuition- uns schiebe sie nicht länger weg. Es braucht nicht viele komplizierte Fragen, sondern nur diese eine: Was ist es, was Freude in dir auslöst? Folge dieser Freude, denn sie ist der Kompass in deinem Leben.
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Twensun (Mittwoch, 15 Juli 2020 15:12)
Vielen Dank für diesen informativen Beitrag. Ich habe mich hier direkt wiedererkannt. Ich hoffe, dass auch ich es schaffe, meine chronische Unzufriedenheit in Demut zu wandeln.
Sassou (Dienstag, 13 Oktober 2020 21:45)
Toller Beitrag! Fasst das Thema sehr gut zusammen! :)